»A. im eigentlichen sinne bezeichnet grenze die gedachte linie, die zur scheidung von gebieten der erdoberfläche dient; der sprachgebrauch vergröbert vielfach den begriff, indem er ihn überträgt auf die äuszeren merkmale, denen die grenze folgt, z. b. wälle, wasserläufe, gebirgszüge
B. während der begriff der grenze im ursprünglichen sinne auf der vorstellung eines raumes diesseits und jenseits der scheidelinie fuszt, entwickelt sich wesentlich erst seit dem 18. jh. ein gebrauch, der von dem raum jenseits der grenze mehr oder weniger absieht und das wort so den bedeutungen ‚schranke, abschlusz, ziel, ende‘ nähert«
– Dt. Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm
Grenzen erscheinen heute einfältig und spätestens seit Beginn der globalen Vernetzung hilflos und absurd. Mauern und Zäune versuchen, etwas festzuhalten, was im ständigen Fluss ist. Die Rekonstruktion der Geschichte von Lebab fördert Erstaunliches zutage und führt uns zurück bis ins Jahr 2016. Zurück zu ihrem Ursprungsort Idomeni.
Wo eine Grenzlinie war, wurde ein Grenzraum. Der Raum wuchs in die dritte Dimension. Aus Innen und Außen wurde Oben und Unten. Im Grenzraum kam es zur Eruption. Die Grenze wurde zum Ort des Begehrens. Der unüberwindliche Gegensatz – Oben und Unten – wurde so lange ausgekostet, bis er seine volle Kraft entfaltete und im Zauber der Ambivalenz verschwamm. Der Grenzraum wurde zum einzigartigen Organismus, die stoppende Linie nomadisch. Eine Struktur entwickelte sich. Sie war weder geometrisch noch organisch, sie zeigte ihre eigene Lebendigkeit - bis es in dieser Heterotopie keine Länder mehr gab.
Eine Einbildung und damit das, worum es geht: Der Sehnsucht nachzuspüren und einzutreten in eine hypothetische Wirklichkeit. •
Current borders seem to be inconsistent and ever since the beginning of global networking they appear to be helpless and absurd. Walls and fences try to retain something which is in a constant flow. The reconstruction of the history of Lebab discloses astonishing insights and takes us back to the year 2016. Back to its origin, Idomeni.
A borderline turned into an area. This space rose into the third dimension. Inside and outside turned into above and below. Eruptions occurred in the border area. The border became a locus of desire. The insurmountable contradiction – above and below – was savoured to the fullest until it blurred in the spell of its ambivalence. The border developed into a unique entity and the detaining line became nomadic. A structure, neither geometric nor organic with its own vitality evolved – and the countries dissolved in this heterotopia.
The essence of this imagination: to feel the yearning and enter a hypothetical reality. •
Der Entwurf zum Projekt GRENZGANG basiert auf einem Narrativ, dafür bedient er sich einem chronologischen Bruch mit der Realität. Anhand des Narratives wird aus verschiedenen Perspektiven eine Gesellschaft skizziert und gleichzeitig ihre Vergangenheit bis zurück zu den Ereignissen 2016 rekonstruiert.
Das Narrativ kann man sich durch drücken des Play Buttons anhören, oder alternativ als Textversion hier lesen. •
»Deine Städte existieren nicht. Vielleicht haben sie nie existiert. Sicher werden sie nicht mehr existieren. Warum vertändelst du deine Zeit mit tröstlichen Fabeln? Ich weiß sehr wohl, daß mein Reich dahin fault wie ein Kadaver im Sumpf, dessen Gift ebenso die Raben verseucht, die an ihm picken, wie den Bambus, dessen Wachstum mit seinen Ausflüssen gedünkt wird. Warum erzählst du mir nichts darüber?«
– Italo Calvino - Die unsichtbaren Städte
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